Reußenzehn Tube Amp

reussenzehn_logoIm Rahmen der Firmenportraits stelle ich euch und Ihnen hier die Firma Reußenzehn, auch bekannt unter dem Namen Frankfurter Röhren Manufaktur vor.

 

 

Reussenzehn-Firmenwagen-1Anders als viele andere hat Thomas Reußenzehn nie den Drang verspürt, seine Firma größer als unbedingt notwendig aufzublasen. Seine Philosophie: Geräte in Vollröhrentechnik herstellen und dabei kompromisslos auf höchste Qualität achten. Dies gelingt seiner Ansicht nach nur in handwerklicher Kleinserienproduktion jenseits jeglicher Massenfertigung und den damit verbundenen Zwängen zur Rationalisierung. Und die Geschichte scheint ihm Recht zu geben: Längst nicht jeder Starter aus jenen Pioniertagen vor über 30 Jahren ist heutzutage, einige Rezessionen und Krisen später, noch im Geschäft. Wohl aber Thomas Reußenzehn, der seine Wirkungstätte, nach einigen Umzügen, nun in Frankfurt a.M. hat.

 

 

 

Die Anfänge:

Bereits 1968 begann Thomas Reußenzehn, Jahrgang 1955, sich mit Verstärkerschaltungen in Röhrentechnik auseinanderzusetzen. Parallel zum Studium in den Siebzigern arbeitete er dann einige Jahre in der Servicewerkstatt von „Musik Renz“, ein im Offenbacher Landkreis auch heute noch ansässiges Musikgeschäft. Neben den alltäglichen Reparaturarbeiten entstanden bereits zu dieser Zeit erste Modifikationen an Verstärkern wie etwa ein Master-Volume für den Vox AC30 oder die „Flaming Valves“ – auf Zweikanal-Betrieb umgebaute und umgelabelte Fender Twin und Dual Showman-Verstärker. Diesen brachte Thomas Reußenzehn den Overdrive-Sound bei, indem er die beiden individuellen Eingangskanäle zu einer einzelnen, zwischen clean und verzerrt umschaltbaren Einheit modifizierte. „Vorbild und Mythos zugleich war damals Mesa Boogie“, erinnert er sich. „Jeder redete darüber, wirklich besessen hat aber kaum jemand einen solchen Verstärker.“ Auch das Tuning von Marshall-Topteilen gehörte bald zum Repertoire: Master-Volume für den 1959er, fetterer Sound, Verzerrung bei auch geringer Endlautstärke. Viele Anregungen lieferten damals die Gitarristen Ali Neander und Raimund Salg von den gerade frisch gegründeten Rodgau Monotones, und schnell sprach sich die Qualität der Reußenzehn-Tunings auch in der übrigen Szene herum. So zählten schnell auch Leute wie etwa Klaus Heuser von BAP zur Kundschaft. Dass Tuning damals überhaupt erforderlich war, lag schlicht und einfach an der Tatsache, dass der Markt dem E-Gitarristen kein zeitgemäßes, nur wenig flexibles Equipment bereitstellte. Ganz im Gegensatz zum heutigen facettenreichen Überangebot und immer kürzer werdenden Produktzyklen tickten Ende der Siebziger Jahre die Uhren der großen Hersteller von „Orchesterelektronik“ (so der damalige offizielle Terminus) noch deutlich langsamer, und man war selten am Puls der Zeit. So stammten die Designs der damals erhältlichen Verstärker von Fender oder Marshall größtenteils noch aus den sechziger Jahren. Doch die Art und Weise, eine elektrische Gitarre zu spielen und klingen zu lassen, hatte sich seitdem verändert. Aktuelle, im damals angesagten „Hard Rock“ gebräuchliche Hi-Gain-Sounds mit viel Verzerrung und Kompression waren für Otto Normalmusiker mit besagtem Standard-Equipment kaum reproduzierbar, und ein Marshall 1959 ohne Mastervolume-Regler klingt halt nur wirklich dann gut, wenn man ihn bis zum Stehkragen aufdreht – mit den bekannten Nachteilen für die Ohren von Mitmusikern, Publikum und Nachbarn.

 

So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit und 1978 schließlich Realität: Nach Abschluss seines Nachrichtentechnik-Studiums eröffnete Thomas Reußenzehn in der Mathildenstraße in Offenbach sein erstes Ladengeschäft. In den ehemaligen Räumlichkeiten eines Bestatters gab es ca. 20 Quadratmeter Verkaufsfläche mit Schaufenster plus eine winzige Werkstatt im Nebenraum. Neben dem Verkauf von Gitarren und dem Tuning von Verstärkern widmete man sich bereits zu dieser Zeit auch dem Bau von P.A.-Boxen für Musiker. Ebenso beim Thema E-Bass war Reußenzehn ein Vordenker. Denn hier sah es equipmentmäßig noch um einiges übersichtlicher als bei den Gitarrenkollegen aus: Wer es sich leisten konnte, der spielte Ampeg SVT (daran hat sich bis heute erstaunlicherweise wenig geändert), dem Durchschnittsbassisten mussten die 100 Watt eines Fender Bassman, ein transistorisiertes Peavey-Topteil oder gar Schlechteres genügen. Verstärkerleistung kostete nicht nur viel Geld in jenen Tagen, sie war auch häufig schlicht nicht verfügbar! So war es nicht unüblich, auch P.A.-Endstufen (und manchmal auch die zugehörigen Bass-Bins!) zur Verstärkung des E-Basses auf der Bühne heranzuziehen! Das dabei auftretende offensichtliche Problem hatte Reußenzehn schnell erkannt: Damit genügend Pegel zum Aussteuern der Endstufe bereitsteht und es auch nur annähernd wie E-Bass klingt, dafür benötigt man eine extra Vorstufe! Und anders als bei reinen Röhrengeräten, bei denen Endstufe und der sättigende Ausgangstrafo ein wesentlicher Soundbestandteil sind, ist hier erstmals strikte Arbeitsteilung angesagt: Die Vorstufe macht den kompletten Sound plus Pegel, den die transistorisierte Endstufe dann möglichst ohne zu übersteuern „auf Leistung“ zu bringen hat. 1979 feierte der „Reußenzehn Tube Bass Preamp MK1“ als völlig neues Gerätekonzept Premiere. Erster Abnehmer waren wieder einmal die Rodgau Monotones in Gestalt ihres Bassisten Joky Becker. Und weil P.A.-Endstufen damals schon der 19’’-Norm folgten, bekam Reußenzehns neue Vorstufe ebenfalls ein solches Gehäuse (mit 1,5 HE!) und sorgte auf diese Weise für ein weiteres Novum, nämlich der erste käufliche 19’’-Röhren-Basspreamp überhaupt zu sein! Die Präsentation des Gerätes durch Bassist Udo Kistner auf der Frankfurter Musikmesse brachte gute Resonanz und gleich einen prominenten Käufer: Jack Bruce! 1981 mehrte sich der Ruhm. Bei einem ZZ Top-Konzert in der Offenbacher Stadthalle nahm Thomas Reußenzehn Kontakt zu Bassist Dusty Hill auf, der sich von dem Gerät völlig begeistert zeigte und gleich zwei Einheiten orderte. “This should be available for guitar“, soll Billy Gibbons daraufhin gesagt haben. Konsequenz: Kurz darauf erblickte der „Reußenzehn Guitar Tube Preamp“ das Licht der Welt.

Die Manufaktur:

1983 datiert dann das Geburtsjahr der eigentlichen Manufaktur. Wegen der großen Nachfrage verkaufte Thomas Reußenzehn sein Ladengeschäft und begann in den Kellerräumen seines Hauses im Offenbacher Ortsteil Bieber mit der Serienproduktion von Röhrengeräten, die dann ausschließlich über Händler in den Verkauf gelangten. Nach wie vor gehörte das individuelle Verstärker-Tuning zum Standard-Repertoire, darüber hinaus feierte das „Reu o Grande“-Label mit modifizierten und entsprechend umgelabelten Marshall-Topteilen seine Premiere. Doch die Popularität der klassischen Tops und Combo-Verstärker war zu dieser Zeit schon im Schwinden begriffen, 19’’-Geräte, Racksysteme und Stereobetrieb dagegen schwer im Kommen. Wieder reagierte Thomas Reußenzehn als einer der Ersten und brachte 1985 seine erste 19’’-Röhrenendstufe, die „Guitar Slave“ mit 2x 50 Watt Leistung, heraus. Im Jahr darauf folgte die leistungsstärkere „Slave 200“ und wenig später dann der „Doubletwin“ 19’’-Preamp. Dieses vielleicht innovativste Reußenzehn-Gerät verfügte über drei vollständig autarke Röhrenvorstufen und erzeugte von Ultraclean („Silicon Valley“) über Crunch („California“) bis hin zu HiGain-Verzerrung („British Section“) so ziemlich jeden Soundwunsch. Dem Geist der Zeit entsprechend funktionierte die Umschaltung mittels Fußleiste, wie auch über ein eigens dafür entwickeltes Midi-Modul. Da der „Doubletwin“ zudem über Effektwege (diese sogar mit stereofoner Rückführung und Pufferung über Röhrenstufen!) verfügte, konnte man ihn sehr einfach in einen 19’’-Rackverbund integrieren. Ich erinnere mich da gerne an ein Clubkonzert Ende der Achtziger Jahre. Der Gitarrist der Band (Namen sind mir leider entfallen) spielte eine Kombination aus „Doubletwin“-Vorstufe und „Guitar Slave“-Endstufe über eine Marshall 4×12’’-Box, und die darüber hervorgebrachten Sounds gehören bis heute mit zum Besten, was ich an elektrischer Gitarre je gehört habe! Parallel dazu feierte das mit Abstand erfolgreichste und in Version MK 4 bis heute in Produktion befindliche Reußenzehn-Gerät seinen Einstand: der berühmte Röhrenbooster Daniel D. Hier setzt Thomas Reußenzehn das einfach-geniale Kunststückchen um, einen Bodentreter mit einer reinrassigen Röhrenschaltung zu versehen und diese über ein externes Steckernetzteil adäquat mit Strom zu versorgen. Erst im Inneren des Daniel D. werden die angelieferten 12 Volt Wechselspannung mittels eines Aufwärtstransformators auf die benötigten 200 Volt Anodenspannung umgewandelt. Auf diese Weise schlägt das Gerät zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum Einen ist die Betriebssicherheit in Sachen Hochspannung für den Anwender gewährleistet, zum Anderen bewirkt dieser Schaltungskniff galvanische Trennung, so dass der Daniel D. keinerlei Brummschleifen mit nachgeschaltetem Equipment verursachen kann. Dafür konstruiert, klanglich schwachen Verstärkern mehr Leben und Frische einzuhauchen, erfreut sich dieses Gerät bis heute ungebrochener Popularität.

Die Neunziger:

Zunehmende Probleme und Unzufriedenheit mit den Händlern veranlassten Reußenzehn zu Beginn der 1990er Jahre wieder über einen eigenen Laden und Direktverkauf nachzudenken. Nach einem kurzen Intermezzo in Rodgau Nieder-Roden fand man 1993 in der Schillerstraße in Offenbach-Bieber für die nächsten sieben Jahre Domizil. Dank eines großen Ausstellungsraumes gelangten hier erstmals auch die HiFi-Produkte richtig zur Geltung. Deren Entwicklung, allen voran die Stereo-Röhrenendstufe „Tube Slave S“ begann parallel bereits in den frühen Achtzigern und wurde über die Jahre u.a. auch durch den Einsatz höchstwertiger Schnittbandkern-Ausgangsübertrager immer weiter verbessert. Heute umfasst das HiFi-Programm neben Boxen, Monoblöcken, Stereo-Endstufen und Röhren-Vorverstärkern auch Phono-Preamps sowie das Röhrenfilternetzwerk „Living Room“ zum klanglichen „Weichmachen“ allzu hart klingender Digitalaufnahmen aller Art. Die HiFi-Produkte, sowie weitere Neuentwicklungen im Bereich der Studiotechnik (u.a. der Mikrofonvorverstärker „Sing Sing“) bestimmten denn auch maßgeblich den Verkauf der nächsten Jahre, der im Eigenvertrieb zunehmend über Internet abgewickelt wurde. Doch auch für die Musikerfraktion gab es Neuigkeiten. So erschienen schon 1990 wieder unter der Bezeichnung „Reu o Grande“ die ersten selbst entwickelten Gitarrenverstärker, denen einige Jahre später dann der bekannte „Leo“ als Combo und Topteil im extravaganten Leopardenfellkleid folgte. Alle diese Verstärker sind gemäß der Reußenzehn-Philosophie „nur kurze Signalwege klingen gut“ entsprechend spartanisch in der Ausstattung, dafür aber umso größer im Klang. Die mit vier EL34-Endröhren bestückte Endstufe eines „Leo“ kann man wahlweise mit 100, 50 oder nur 25 Watt betreiben und dadurch auch schon ausreichende Verzerrungen bei verhältnismäßig moderaten Lautstärken erzielen. Doch der eigentliche Clou liegt in der Abstimmung der Vorstufe: Abhängig von Gain- und Mastervolume-Einstellung ist es möglich, die komplette Zerrbandbreite von „leicht angeraut“ bis „volle Kante“ nur über den Eingangspegel, also das Volumenpoti der Gitarre zu kontrollieren.

Mit der Konstruktion des EL-34, ein kleiner „Single Ended Class A“-Gitarrenverstärker im auffälligen „Vogelkäfig“-Design, hat Thomas Reußenzehn 2004 ein echtes Meisterwerk geschaffen! Nur eine einzelne Endröhre, die je nach Klanggeschmack auch getauscht werden kann (neben EL34 funktionieren auch 6L6, KT88 und EL84), erzeugt im Class A-Betrieb besonders harmonische Verzerrungen ohne jene „harten“ Klanganteile, die der Gegentaktbetrieb mit mehreren Endröhren normalerweise verursacht. Und weil der Verstärker gerade mal 10 Watt Leistung bringt, ist es möglich, alle Verzerrgrade inklusive der so beliebten Sättigung des Ausgangsübertragers bei relativ moderaten Lautstärken abzurufen.

Mittlerweile war die Firma von Offenbach nach Wartmannsroth-Schwärzelbach in die Rhön umgezogen, wo die Produktion in Reußenzehns Elternhaus und die Präsentation in einer eigens gekauften und komplett umgebauten „Rock’n Roll-Scheune“ stattfand. Neben dem EL-34 entstanden in dieser Zeit anspruchsvolle Produkte wie etwa das mechanisch aufwändige „Birdie“-Leslie mit rotierendem Horn-Lautsprecher oder der „Tube FX-Router“, ein auf Vollröhrentechnik basierender Aufholverstärker für Effektwege. Beachtung verdient ebenfalls die „Power Station“. Diese auf kleinem Raum realisierte 30 W-Gegentaktendstufe war eigentlich nur als „Nachbrenner“ für den EL-34 gedacht, lässt sich aber genauso mit jeder anderen Vorstufe betreiben. Wer im Live-Betrieb die Handlichkeit digitaler Modeling –Geräte wie Line 6 „Pod“ oder Boss GT-10 zu schätzen weiß, gelegentlich aber auch gerne wieder Röhrenfeeling anstelle schnöder Monitorboxen hören möchte, ist hier richtig.

Die Produktion…

…im Hause Reußenzehn ist schnell beschrieben, denn hier lötet der Chef selbst! Und dies ist ein wichtiges Qualitätskriterium, denn neben der Auswahl passender hochwertiger Bauelemente ist auch die Art und Weise der Verdrahtung entscheidend. Wobei „Verdrahtung“ durchaus wörtlich zu nehmen ist! Bis auf wenige Ausnahmen folgen alle Reußenzehn-Geräte der Tradition der freien „Punkt zu Punkt“-Verbindungen. Platinenbauweise wurde nach etlichen Versuchen als ungeeignet ad acta gelegt. Nach ein paar Jahren Betrieb kommt es bei Platinen aufgrund der Hitze häufig zu Problemen mit den Lötstellen der Röhrensockel. Staubablagerungen und Hochspannung mögen sich ebenfalls nicht und verursachen Kriechströme. Also kommt hochwertiger, Teflon-beschichteter Silberdraht zum Einsatz. Dieser, sowie ausgeklügelte Verdrahtungsschemata ermöglichen das Kleinhalten parasitärer Kapazitäten innerhalb der hochohmigen Röhrenschaltkreise, und nur so lässt sich das Optimum aus dieser ewig jungen Technologie herausholen.

Die metallenen Chassis für Verstärker erhält Thomas Reußenzehn seit jeher von Zulieferern gestanzt und gebogen, die auch alle aufwändigen Lackier- und Galvanisierarbeiten (für die HiFi-Geräte) erledigen. Gleiches gilt für die Holzbearbeitung im Boxenbau. Ausnahmen bilden natürlich einmalige Sonderanfertigungen, hier ist alles 100% „Reu-made“.

Hier einige Bilder:

Reussenzehn-Loeten

Hier lötet der Chef selber.

Reussenzehn-Archtop Tube Reverb Combo Gold EditionArchtop Tube Reverb Combo Gold Edition

Reussenzehn-Basic Mono De Luxe KopieBasic Mono De Luxe

Reussenzehn-Basspreamp Mk7Basspreamp Mk7

Reussenzehn-Reu-O-GrandeReu-O-Grande

Weitere Informationen gibt es hier: Link

Kommentare sind geschlossen.